Montag, 27. Februar 2017

Call You Home

Nach einer anstrengenden Nacht, dominiert von einer Klimaanlage die unseren Bus auf muckelige 17grad runterkühlte erreichen wir am frühen Morgen Port Elizabeth. Die Türen öffnen sich, ich entfliehe der Kühltruhe und über den Parkplatz kommt Mike auf mich zu und grinst mich an. Es ist jetzt vier Jahre her, dass wir uns genau an diesem Bus sehr tränenreich verabschiedet haben. Hätte ich damals gewusst, dass ich ihn so lange nicht sehen würde, wäre ich vermutlich nicht eingestiegen. Und jetzt liegen wir uns wieder in den Armen und es ist, als wäre unser Abschied nur eine Woche her. Er duftet wie damals, so vertraut.

Mikes Familie nimmt mich wahnsinnig herzlich bei sich auf, wie auch damals schon. Sogar seine Omi erinnert sich noch an mich und begrüßt mich besonders begeistert. Wir verbringen die Tage sehr entspannt mit Spaziergängen, seine Hündin Patches kuscheln, Ausflügen, kochen, ich mache mal wieder ein bisschen Makramee und die Entspannung tut sehr gut!
Ganz in der Nähe gibt es einen Löwenpark in dem die Tiere nicht gezüchtet, sondern nur aus Zoos und von Privatpersonen gerettet werden um hier ein artgerechtes Leben zu verbringen. Auf dem Weg fährt man durch einen Gamepark mit unterschiedlichsten Tieren. Wir müssen eine viertel Stunde warten, da eine Giraffe mitten auf der Straße steht und nicht vor hat, sich in absehbarer Zeit von dort weg zu bewegen, ich taufe sie Sven. Nachdem wir uns irgendwann mit Mühe und Not an Sven vorbeigequetscht haben, platz zu machen hielt er selbst dann noch für überflüssig, als unser Außenspiegel beinahe sein Vorderbein schrammt, gelangen wir zu den Preditorgehegen. Außer Löwen gibt es noch mehrere Tiger, einen Panther, einen Puma, einen Leoparden und Servale. Die Tiere sehen gesund und zufrieden aus und die Gehege sind groß und bieten Abwechslung. Es freut mich, einen solchen Ort zu sehen, den ich wirklich unterstützen kann.
Mike und ich sind leicht distanziert. Zum Einen muss man sich nach vier Jahren doch wieder etwas kennen lernen (obwohl es für mich eigentlich nur die Bestätigung gibt, dass ich noch genau weiß, wer er ist), zum Anderen ist der Hauptgrund für unsere lange Trennung seine sehr eifersüchtige Exfreundin und so ist Mike nun darauf bedacht, seiner neuen Freundin keinen Anlass für ähnliches Verhalten zu geben. Aber jetzt habe ich die Gewissheit: nichts wird uns trennen, weder Beziehungspartnert, noch Jahre, noch die Entfernung auf die andere Seite der Welt.

Wir blicken uns tief in die Augen, das einzige, was uns trennt sind knappe 2 Meter und ein dünner Maschendrahtzaun. Einen Moment steht die Welt still, dann gähnt der Löwe ausgiebig und fährt fort seine Pranke zu putzen, sie ist so groß wie mein Kopf. Ich beobachte ihn in diesem faszinierend katzenhaften Moment. Er hält wieder Inne, blickt mich eine Weile an und beginnt dann tief und grollend zu schnurren. Ich stimme ein.

Ich denke zur Zeit viel über Identität im Bezug auf Nationalität nach, denn die meist gestellte Frage der letzten Wochen ist: "where are you from". Wahrheitsgemäß muss ich darauf " from Germany " antworten, doch das fühlt sich falsch an, nicht wie die Wahrheit. Die Wahrheit ist: ich sehe nicht deutsch aus, ich denke nicht sehr deutsch, ich verhalte mich nicht deutsch und ich habe nicht mal mehr einen deutsdchen Akzent. Deutsche zu sein gehört absolut nicht zu meinem Identitätsgefühl. Hamburgerin zu sein vielleicht ein bisschen. Ich wäre gerne Südafrikanerin, ich möchte kein Fremdkörper mehr sein an meinem Sehnsuchtsort, in diesem Land in dem ich mich so zuhause und verwurzelt fühle wie nirgendwo sonst, hier wo so viele Freunde und Herzensfamilie leben, wo mir alles so vertraut ist und ich 100% authentisch sein kann, ohne jede Anstrengung. Das ist für mich identitätsstiftend. Und dennoch habe ich das Gefühl, eine offizielle Berechtigung dafür zu brauchen, mich hier heimisch zu fühlen, verwandte, beziehung, arbeit, irgrendetwas. Ich habe Angst, dass die Menschen denken, ich hätte mich halt in ein Urlaubsziel verliebt, in eine realitätsferne Parallelwelt. Aber ich habe hier gelebt, gearbeitet, bin autogrfahren, habe meinen Alltag gestaltet, mir ein Netzwerk aus Freunden und Familie aufgebaut, mich politisch in den unterschiedlichsten Facetten mit diesem Land konfrontiert, Höhen und Tiefen erlebt, Gefahren überstanden und mich sehr maßgeblich zu der Frau entwickelt, die ich heute bin. Deshalb bin ich mindestens 50% Südafrikanerin! Und ist nicht vielleicht dies die Art, wie Nationalität aussehen sollte?

"You got those eyes, stare into my soul
You get that smile when I’m giving you my all
You’re the brighter side of things
You’re the lighter side of life
And all the joy that you bring is why I need you in my life

But can I call you home?
You’ll be mine and I’ll be yours
I just wanna let you know
In my mind I call you home
In my mind I call you home

The only thing I ever knew is that I never know
I’ve had my time in the sun and now I gotta go
You’re the brighter side of things
You’re the lighter side of life
And all the joy that you bring is why I need you in my life

But can I call you home?
You’ll be mine and I’ll be yours
I just wanna let you know
In my mind I call you home

But can I call you home?
You’ll be mine and I’ll be yours
I just wanna let you know
In my mind I call you home

And now, can I call you home?
You’ll be mine and I’ll be yours
I just wanna let you know
In my mind I call you home

In my mind I call you home
In my mind I call you home"

Kelvin Jones- Call You Home

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